Amsterdam Reiseblog Katrin Hünsche Stadtplanungsbüro Büro für Städtebau GmbH Chemnitz
Amsterdam – eine der grünsten Städte Europas

Die Niederlande zählt international als Vorbild für mobilitätsgerechte Stadtplanung. Allein in Amsterdam, eine Stadt mit 921.468 Einwohner:innen (Stand Januar 2023), kommt schätzungsweise mindestens ein Fahrrad pro Kopf. Durch die niederländische Hauptstadt zieht sich ein Fahrradnetz von rund 500 km, 58 % der Bewohner:innen nutzen ihr Fahrrad täglich, von 40 % werden Fahrräder bevorzugt genutzt. Insbesondere am Hauptbahnhof – Amsterdam Centraal – und entlang der Grachten schlängeln sich viele Fahrradfahrer:innen zwischen noch mehr Tourist:innen hindurch.

Verkehrswege mobilitätsgerecht gestalten

Dennoch: der Verkehr rollt, mit Autos verstopfte, mehrspurige Straßen wie in Berlin oder Chemnitz sucht man vergeblich. Das ist wenig verwunderlich, da bereits 1979 die Grundlage für die „Plusnetten en hoofdnetten infrastructuur (Plusnetz- und Hauptnetz-Infrastruktur) geschaffen wurde, d.h. Ziel ist es seither, die Organisation von Verkehrswegen mobilitätsgerecht zu gestalten. Es wurden Verkehrsbereiche vorrangig bestimmt, in denen Fahrradfahrer:innen Vorrang haben – von der Straßenbreite bis hin zur Ampelschaltung. PKWs müssen sich den Geschwindigkeiten anpassen und sind nachrangig priorisiert.

Die schnelle und sichere Fortbewegung für alle Verkehrsteilnehmer:innen steht im Vordergrund, d.h. die Plusnetze gibt es neben Fahrradfahrer:innen auch für Fußgänger:innen, Metro, Straßenbahn und Autoverkehr. Letzteres ist in Amsterdam sogar ziemlich unattraktiv geworden, weil die Parkgebühren zu den höchsten in ganz Europa zählen und infolge des Haupt- und Plusnetzes häufig Umwege in Kauf genommen werden müssen. Hinsichtlich Nachhaltigkeit zählt Amsterdam zu den Top Ten der grünsten Städte Europas. Bereits 2025 will die niederländische Hauptstadt komplett emissionsfreien Verkehr abbilden.

7.000 Stellplätze im Fahrradparkhaus am Amsterdamer Hauptbahnhof

Die Mitnahme des Drahtesels in Zügen und der Metro ist dank der speziellen fietsdalkaart (Tageskarte für Fahrräder, per Bahn-App 1€ günstiger als am Automaten) möglich, in Bussen und den Straßenbahnen hingegen untersagt. Apropos niederländische Bahn – Nederlandse Spoorwegen (NS): Es ist ebenso möglich, ein Fahrrad an den Bahnhöfen auszuleihen, Frühaufsteher:innen werden insbesondere im Innenstadtbereich belohnt. Oft werden diese auch von den Unterkünften zur Tagesmiete zwischen 8 und 10 Euro angeboten oder sind bereits mit im Preis inbegriffen.

Auch sonst können Fahrradfahrer:innen von weiteren Möglichkeiten profitieren. Seit Anfang des Jahres 2023 hat Amsterdam ein neues Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof eröffnet, dass bis zu 7.000 Stellplätze bietet. In der ganzen Stadt gibt es weitere 25 Parkhäuser, die (auch) Fahrrädern vorbehalten sind.

Dort, wo es in den Niederlanden möglich ist, sind die Fahrradwege sogar zweispurig – in jede Richtung von Stadt bis aufs Land. Oder es wird durch diverse Einbahnstraßen geregelt, bei denen die Fahrradfahrer:innen von vielen Ausnahmen profitieren können. Möchten Fahrradfreund:innen etwas abseits vom Autoverkehr fahren – immerhin führen Fahrradwege auch direkt neben Bundesstraßen und Autobahnen entlang – können sie sich entlang der ausgeschilderten Fietknoop, d.h. Knotenpunkte orientieren. Es lohnt sich, die entsprechenden Nummern der geplanten Route vorab via App Fietknoops rauszusuchen. Auch diese Radwege, wie bspw. in Noordhollands Duinenreservaat, etwa 30 bis 40 min von Amsterdam entfernt, sind gut ausgebaut, davon können Fahrradfahrer:innen in Deutschland vor allem im ländlichen Raum nur davon träumen.

„Schoonship“ – Schwimmende Häuser im Stadtviertel Buiksloterham

Des Weiteren sind die Niederlande vom Klimawandel stark bedroht, insbesondere stellt der steigende Meeresspiegel eine erhebliche Herausforderung dar. Stadtplaner:innen und Architekt:innen machen sich hier bereits Gedanken, wie Amsterdam auch zukünftig lebenswert und dennoch bezahlbar sein kann. Denn die Unterhaltung von Hausbooten kann sehr hohe Summen verschlingen. Ein Pilotprojekt ist hierzu Schoonship im Stadtviertel Buiksloterham im Norden von Amsterdam. Dieses Viertel entwickelt sich seit den letzten Jahren enorm, einst von diversen Industriebauten geprägt entstehen hier neue Wohn- und Bürokomplexe.

Das Projekt Schoonship funktioniert energieautark, d.h. die Häuser sind unabhängig von Gas und werden über Wärmepumpen sowie PV-Anlagen versorgt. Die Abwasserentsorgung für Grau- und Schwarzwasser verläuft getrennt und wird zukünftig über einen sogenannten Fermenter geleitet und in Energie umgewandelt. Des Weiteren haben alle Häuser Gründächer, das mindestens ein Drittel der Dachfläche abdeckt. Die Bewohner:innen nutzen diverse Sharing-Modelle.

Um die Bezahlbarkeit der Wohnungen zu gewährleisten, wurden die Häuser als Doppelhaushälften gebaut, was für die Niederlande ein Novum darstellt. Was als Stiftung vor etwa zehn Jahren begann, ist inzwischen eine Genossenschaft der Eigentümer:innen. Daraufhin gründete sich die Stiftung Pioneer Vessel, um diese und weitere Ideen verwirklichen zu können. Die Bewohner:innen sind aktiv im Arbeits- und Entstehungsprozess eingebunden und kümmern sich um die Umsetzung von Erneuerbaren Energien, Abwasserentsorgung, Sharing-Mobility, Kommunikation etc. Letztere wird durch gemeinsame Treffen erleichtert. Die Bewohner:innen zeigen sich gegenüber der Nachbarschaft offen, um gemeinsam eine lebenswerte Zukunft gestalten zu können.

Logo Detail Büro für Städtebau GmbH ChemnitzBüro für Städtebau GmbH Chemnitz, Katrin Hünsche (Text, Fotografie und Zeichnung)