
Von Chemnitz nach Babelsberg – Wie die Familie Seeber Filmgeschichte schrieb
Wenn man heute an große Filmstudios in Deutschland denkt, führt kein Weg an Babelsberg vorbei – dem ältesten Großatelier-Filmstudio der Welt. Was viele jedoch nicht wissen: Die Wiege dieser Filmtradition liegt nicht in Potsdam, sondern in Chemnitz. Genauer gesagt: bei der Familie Seeber.
Die Familie Seeber – Pioniere des deutschen Films
Die Seeber-Familie war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Chemnitz ein fester Begriff, nicht nur als unternehmerische Größe, sondern vor allem durch ihr innovatives Engagement im Bereich Film und Fototechnik. Allen voran Guido Seeber (1879–1940), ein Visionär, der als Kameramann und Tricktechnik-Pionier maßgeblich zur Entwicklung des deutschen Films beigetragen hat.
Guido Seeber wuchs in Chemnitz auf, wo sein Vater eine optisch-feinmechanische Werkstatt betrieb – die Keimzelle für sein technisches Talent. In jungen Jahren experimentierte er bereits mit Kameratechniken, Belichtungstricks und Spezialeffekten. Später wurde er technischer Leiter der Deutschen Bioscop GmbH, dem Unternehmen, das 1912 die legendären Babelsberger Filmstudios gründete – mit Seeber als technischem Kopf.
Von Chemnitz nach Babelsberg – die erste Studioanlage
Die Wurzeln des Babelsberger Studios reichen also direkt nach Chemnitz: Ohne Seebers Know-how und Innovationskraft wäre der Aufbau der Studios kaum möglich gewesen. Er entwickelte nicht nur technische Standards, sondern auch filmsprachliche Mittel, die bis heute den Stil des deutschen Films mitprägen.
Guido Seeber arbeitete unter anderem an Klassikern wie Der Student von Prag (1913), einem der ersten deutschen Horrorfilme, der weltweit Beachtung fand. Auch bei der Entwicklung der „Unchained Camera“ – einer beweglichen Kamera, die neue Möglichkeiten der Bildführung eröffnete – hatte er entscheidenden Einfluss.
Der Seeberplatz in Chemnitz – ein Ort der Erinnerung mit Zukunft
In Anerkennung dieser wegweisenden Leistung trägt heute ein Platz in Chemnitz seinen Namen: der Seeberplatz, idyllisch gelegen am Ufer des Chemnitzflusses, direkt neben der historischen Markthalle im Herzen der Stadt. Der Platz erinnert nicht nur an Guido Seeber und sein filmisches Erbe, sondern ist ein urbaner Freiraum mit kulturellem und stadtplanerischem Potenzial.
Im August 2023 entwickelten Chemnitzerinnen und Chemnitzer Groß und Klein sowie Gäste der Stadt erste tolle Ideen, wie der Seeberplatz neu gestaltet und genutzt werden könnte. Sie formulierten ihre Wünsche und Ideen schriftlich, sie zeichneten und bastelten im Rahmen einer Bürgerbeteiligung gemeinsam mit den Organisatorinnen der Architektenkammergruppe Chemnitz – Andrea Alter und Hedda Schork – und vielen weiteren Unterstützer:innen des Projektes „Platzvisionen – Platzgeschichten – Platzgestaltung“. Leider blieben die Ideen und Wünsche der Chemnitzerinnen und Chemnitzer sowie den Gästen der Stadt bislang unbeachtet.
Wie schön wäre es, wenn sich dieser Ort in den Sommermonaten in ein offenes Sommerkino, direkt an der Chemnitz gelegen, verwandeln würde? Ein Platz, an dem die Chemnitzerinnen und Chemnitzer unter freiem Himmel Klassiker des Stummfilms oder zeitgenössische Werke erleben könnten – vielleicht sogar mit musikalischer Begleitung, wie es zu Seebers Zeiten üblich war. Der Seeberplatz hätte damit nicht nur eine erinnernde, sondern auch eine lebendige Funktion: als Bühne für das, was einst in Chemnitz begann – die Magie des Kinos.
Fazit: Filmgeschichte made in Chemnitz
Die Familie Seeber hat mit ihrem Wirken in Chemnitz das Fundament für eines der bedeutendsten Filmzentren Europas gelegt. Babelsberg mag heute das Synonym für Filmkunst in Deutschland sein – doch der erste Akt dieser filmreifen Geschichte wurde in Chemnitz geschrieben. Es ist Zeit, dieser Geschichte den Platz in der Öffentlichkeit zu geben, den sie verdient – nicht nur am Seeberplatz.