
INDUSTRIEGESCHICHTE(N) NEU ERLEBEN: Ein Stadtspaziergang
Am 17. September war die Büro für Städtebau GmbH Chemnitz Gastgeberin einer Pressekonferenz, in deren Rahmen eine neu entwickelte, interaktive Web-Anwendung und digitaler Guide präsentiert wurde. Diese ermöglicht es den Nutzer:innen, die Stadt Chemnitz, insbesondere den Chemnitzer Sonnenberg aus einer neuen, spannenden Perspektive zu erkunden. Über verschiedene Routen wird man durch die Stadt geleitet und kann an verschiedenen Punkten Informationen, persönliche Geschichten und Erinnerungen erfahren. Die beiden neuen Routen „Textile Geschichten“ und „Migrationsgeschichten“ wurden kürzlich hinzugefügt.
Das Projekt wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Birgit Glorius, Inhaberin der Professur Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung, in Kooperation mit der Stadt- und Kulturgeografin Katja Manz entwickelt, die das Projekt bereits seit 2013 gemeinsam mit Studierenden der Technischen Universität Chemnitz konzipierte.
Mario Steinebach beschreibt es in der Pressemitteilung der TU Chemnitz folgendermaßen:
„Welche Geschichten prägen das Bild einer Stadt wie Chemnitz, auch wenn sie nicht auf den ersten Blick sichtbar sind? Die Professur Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der Technischen Universität Chemnitz hat viele dieser unsichtbaren Erzählungen gesammelt und in einer interaktiven Web-Anwendung zugänglich gemacht. Sie ist das Ergebnis eines interdisziplinären Projekts in Zusammenarbeit mit Schulen, lokalen Archiven, Stadtteilinitiativen und Kulturschaffenden.
Im Zentrum dieser neuen Web-Anwendung stehen Perspektiven, die in offiziellen Stadtbeschreibungen häufig übersehen werden: Geschichten von Migrantinnen und Migranten, von Bewohnerinnen und Bewohnern, Umbrüchen und alltäglichen Orten. Die Nutzerinnen und Nutzer können Stadtteile interaktiv erkunden, sich durch multimediale Inhalte navigieren und dabei ein lebendiges Mosaik aus Vergangenheit und Gegenwart erleben.“
Ausgangspunkt der Route „Textile Geschichten“
Die Büro für Städtebau GmbH Chemnitz ist durch ihren Standort in der Fürstenstr. 23 mit der textilen Vergangenheit der Stadt räumlich verflochten. Das Industriegebäude Fürstenstraße 21-23/Uhlandstraße fungierte seit jeher als bedeutender Standort für die Textilmaschinenproduktion und ist jetzt der Ausgangspunkt der Route „Textile Geschichten“.
Der Gebäudekomplex wurde 1881 errichtet und spielte eine zentrale Rolle in der Textilmaschinenproduktion. Es war zunächst der Unternehmenssitz von Alban Ludwig und später die Niederlassung von Schubert & Salzer – einer Firma, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts maßgeblich zur weltweiten Bedeutung des Chemnitzer Standortes beitrug. Die Chemnitzer Textilmaschinenproduzenten waren für 75 % der Weltproduktion von Cotton-Maschinen verantwortlich. Bei einem Besuch vor Ort besteht die Möglichkeit, mittels einer Audiospur die Historie der Cotton-Maschinen zu erleben. Folgendes wird frei erzählt: Die Cotton-Maschine markierte eine signifikante Transformation in der europäischen Strumpfproduktion. Ihr Erfinder, William Cotton, gelang es, die Maschine so zu verändern, dass eine Herstellung von 36 Strümpfen gleichzeitig möglich wurde, was eine beispiellose Steigerung im Vergleich zu den vorherigen Verfahren darstellte.
Sanierung des Gebäudekomplexes durch die B & O Group
2015 wurde der Gebäudekomplex von der B&O Bau und Projekte GmbH erworben und einer Sanierung unterzogen, wodurch er sein heutiges Erscheinungsbild erhielt. In dem Gebäude sind neben der B&O Gruppe noch fünf weitere mittelständische Unternehmen ansässig.
Als Planer:innen sehen wir in dem Projekt eine inspirierende Überschneidung von Stadt und Kultur, die dazu beiträgt, bereits überbaute, abgerissene oder veränderte Narrative wieder sichtbar zu machen.
Wir ermutigen alle, es selbst auszuprobieren und bei einem Spaziergang die Stadt zu entdecken!
www.industriegeschichten.tu-chemnitz.de